Die Cannabislegalisierung ist schädlich

Aus wissenschaftlicher Sicht gehen Legalisierungen in der Regel mit negativen Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit einher. Eine begleitende Suchtprävention hilft nicht, wenn die angebotene Menge steigt. Eine kritische Stellungnahme

V O N D A G M A R A N H E Y E R

Stellungnahme zur geplanten kontrollierten Abgabe von Cannabis (lat. für Hanf ) an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften (Koalitionsvertrag vom 24.11.2021 zwischen Grünen, SPD und FDP hinsichtlich der zukünftigen Drogenpolitik)

Hierin ist vorgesehen, dass der Erwerb und das Mitführen von bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei sein und privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt sein soll. Ein Verkauf an über 18-jährige soll in lizensierten Fachgeschäften und ggf. auch in Apotheken ermöglicht werden. Das von Bundesgesundheitsminister Lauterbach am 26.Oktober 2022 vorgestellte Eckpunktepapier für einen Gesetzentwurf für die Legalisierung von Cannabis sieht zudem den Besitz von bis zu drei Pflanzen zu Hause für den Eigenbedarf vor. Minderjährige sollen bei Besitz von Cannabis straffrei ausgehen, jedoch soll der Stoff beschlagnahmt und den Jugendämtern die Möglichkeit eingeräumt werden, verpflichtende Teilnahme an Präventionskursen zu verhängen. Die lizensierten Geschäfte sollen bestimmten Vorschriften unterliegen, so soll bspw. verpflichtend ein „ausreichender Abstand“ zu Schulen einzuhalten sein. Anzumerken ist, dass eine Cannabis-Legalisierung grundsätzlich NICHT mit EU- und Völkerecht vereinbar ist.

Zurzeit ist nach § 31 a in Deutschland Besitz, Handel und Anbau von Cannabis und Cannabisprodukten strafbar; die Strafen bei Verstoß können von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft reichen. Der Besitz von geringen Mengen ( je nach Bundesland bis sechs beziehungsweise 15 Gramm) muss nicht strafverfolgt werden, der bloße Konsum von Cannabis bleibt als selbstschädigende Handlung straffrei. Diesbezügliche Verfahren werden in der Regel eingestellt, allerdings können ordnungsrechtliche Konsequenzen drohen.

Aus der weiblichen Hanfpflanze (Cannabis) werden die Rauschmittel Marihuana (getrocknete Blüten) und Haschisch (Harz) gewonnen, deren psychoaktive Inhaltsstoffe, die sogenannten Cannabinoide, auf das zentrale Nervensystem wirken. Der Wirkstoff Tetrahydrocannabiol (THC) ist hier bei überwiegend für den Rausch verantwortlich, wohingegen Cannabidiol (CBD) keine berauschende, aber eine beruhigende Wirkung zugesprochen wird. Bei Cannabis handelt es sich um ein interessantes, jedoch bislang wenig erforschtes Medikament und die Beurteilung hinsichtlich einer Freigabe sollte deshalb losgelöst von politischen und juristischen Fragen betrachtet werden.

Die Meta-Analyse eines internationalen Forschungsteams unter der Leitung von Tom Freeman, University of Bath (1), in der alle Studien gesichtet wurden, in denen die Wirkstoff konzentration von Cannabis ermittelt wurde, kam zu dem Schluss, dass in den Jahren 1970 bis 2017 die Zunahme von THC in den untersuchten pflanzlichen Anteilen Cannabis um ca. 0,29 Prozent jedes Jahr anstieg, bei Haschisch (Harz) sogar um 0,57 Prozent pro Jahr bei nahezu gleichbleibender CBD Konzentration. In diese Studie gingen die Auswertungen von über 80 000 Cannabisproben ein. Hauptverantwortlich für den Anstieg ist die zunehmende Marktverbreitung der Cannabissorte Sinsemilla, die besonders viel THC enthält, aber auch der hohe THC-Wert von synthetischem Cannabis, welches immer leichter verfügbar ist. Hier finden sich besonders häufig Vergiftungen, in Einzelfällen Infarkt, Nierenversagen, epileptische Grand-mal-Anfälle. Daten aus der Notfallmedizin und von Drogenbehörden zeigen, dass der Konsum mit einem erhöhten Risiko für notärztliche Behandlungen verbunden ist. International wurden bereits 32 Todesfälle in Zusammenhang mit künstlichen Cannabinoiden registriert (3).

Gesundheitsgefährdung durch immer mehr THC

Da die Effekte von THC dosisabhängig sind, geht hiermit auch eine Steigerung des Langzeitrisikos cannabis-assoziierter Erkrankungen wie Psychosen einher. Es hält sich hartnäckig die Fehleinschätzung, dass es sich bei dieser sogenannten „weichen Droge“ um eine harmlose handelt, was der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass viele der mittlerweile älteren Mitbürger schadenfrei aus dem Konsum dieser, seinerzeit deutlich schwächeren Droge hervorgegangen sind. Der zuvor erwähnte Anstieg des THC-Anteils widerlegt dies eindrücklich und evidenzbasierte Fakten zeigen, dass Cannabis mitnichten eine harmlose Droge ist.

Cannabiskonsum erhöht das Risiko für körperliche und vor allem für psychische Störungen, kann die Hirnleistung, zumindest vorübergehend, beeinträchtigen. Bei Jugendlichen wird die Hirnreifung, die erst mit circa 25 Jahren als abgeschlossen gilt, gestört. In mindestens jedem zehnten Fall führt der regelmäßige Konsum zu Abhängigkeit. Die psychosozialen Risiken von häufigem Cannabiskonsum wie vorzeitiger Schulabbruch und geringer Bildungserfolg sind ebenso empirisch belegt. Die CaPRis Studie (3) zeigt auf, dass ein chronischer Cannabiskonsum das Risiko für Atemwegserkrankungen erhöht. Ebenso zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang für Hodenkrebs, der besonders bei jungen Männern auftritt (Mischtumore des Hodens, sogenannte Nicht-Seminome). Unter Cannabis treten häufiger Erstmanifestationen manisch-depressiver Symptome auf, wie sie bei bipolaren Störungen beobachtet werden, das Risiko ist hier dreimal höher als bei Nichtkonsumenten. Das Risiko für Angststörungen erhöht sich um den Faktor 1,3 bis 1,7. Beginnen Jugendliche jedoch schon vor dem 16. Lebensjahr, verdoppelt sich das Risiko für eine Angststörung auf den Faktor 3,2.

Ein Forscherteam der Icahn School of Medicine at Mount Sinai und des CUNY Queens College (4) untersuchte im Rahmen einer Langzeitstudie den Einfluss der Cannabinoide auf Plazenta und psychische Entwicklung des Kindes. Cannabis zählt zu den am häufigsten von Schwangeren genutzten Freizeitdrogen. Hierbei zeigte sich erhöhte Stressanfälligkeit, Ängstlichkeit, Aggressivität und Hyperaktivität bei den Cannabiskindern. In den Haarproben fanden sich deutlich erhöhte Werte des Stresshormons Cortisol. Ebenso scheint die Hirnentwicklung nachhaltig beeinträchtigt zu sein. Auch führt der Cannabiskonsum zu Störungen der Plazenta. So war die Aktivität aller 480 untersuchten Gene, welche die Immunfunktionen der Plazenta regulieren, betroffen.

Die Ulmer Studie unter Teilnahme der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums Ulm (2) zeigt nachdrücklich eine Zunahme der Psychiatriepatienten mit Cannabis-Psychose. So hat sich deren Zahl im untersuchten Zeitraum von 2011 – 2019 vervielfacht. Die relative Häufigkeit des Auftretens von Cannabis- Psychosen im Verhältnis zu den Gesamtpatientenzahlen der in der psychiatrischen Klinik behandelten Patienten und Patientinnen stieg von 0,5 Prozent in 2011 in nur acht Jahren auf 3,86 Prozent in 2019. Das Forschungsteam der Uni Ulm sieht für den Anstieg der Patientenzahlen mit Cannabis-Psychosen eine Ursache im deutlich erhöhten THC-Gehalt in den hochgezüchteten und den synthetischen Cannabissorten und dem daraus entstehenden Missverhältnis zum ausgleichenden CBD, dem eine entspannende Wirkung zugeschrieben wird. Einen weiteren Grund sieht das Ulmer Forschungsteam in der Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften, die am 10.03.2017 in Kraft traten. Möglicherweise mit der Folge, dass aufgrund des medizinischen Einsatzes von Cannabis die gefährlichen Nebenwirkungen unterschätzt werden.

Wissenschaftlich am besten erforscht ist das Medizinalcannabis, das seit 2021 auch „made in germany“ auf dem Markt ist, bei chronischen Schmerzen. Belegt ist die 70041425010836412