Hustensaft statt Hanfplantagen!

Die Legalisierung von Cannabis hat kaum Vorteile. Andere Maßnahmen sind jetzt wichtig

VON MATTHIAS HÖSCHEL

Seit April 2023 liegt es vor: das abgespeckte Eckpunktepapier zur Cannabisfreigabe. War ursprünglich noch vorgesehen, dass in der ganzen Republik Cannabis-Shops öffnen sollten, um die Bedürfnisse von Cannabiskonsumenten und Bürgern, die schon immer Cannabiskonsumenten werden wollten, zuvorkommend zu bedienen, scheint die Liberalisierung im aktuellen Eckpunkte Papier auf den ersten Blick eingegrenzt.

Während nach Veröffentlichung des ursprünglichen Eckpunkte Papieres im Oktober des vergangenen Jahres eine in den Startlöchern stehende Cannabis-Industrie jubilierte – schließlich waren ähnliche Geschäfte und Gewinne wie bei Corona Maskenvertrieb und Testzentrumbetrieb zu erhoffen – scheint nun ein wenig Ernüchterung eingekehrt zu sein. Zumindest in diesem fragwürdigen Wirtschaftszweig. Wenn man aber auf die neuen Möglichkeiten, welche das Eckpunktepapier bietet, schaut, gibt sich vermutlich eine viel umfänglichere Liberalisierung, als ursprünglich in der „Kommerzvariante“ des Eckpunktespapier vorgesehen. Nun soll jeder eine Kleinplantage betreiben dürfen, der es möchte. Einzige Einschränkung: maximal drei blühende weibliche Pflanzen.

Und wer nicht selber eine Pflanzenfarm bewirtschaften möchte, kann in eine neue Form Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG), den Cannabis Social-Clubs, die bereits wie Unkraut aus dem Boden sprießen, einsteigen. Sollten sich nun zum Beispiel in größeren Familienverbünden eine Reihe Verwandter und Bekannter zusammentun, könnten bald die ersten offiziellen Cannabis Gewächshäuser sprießen – völlig legal. Gleich neben den Plantagen, die von den Cannabis-Social Clubs, die in jeder Stadt gegründet werden können, gelegen. Dann müßten die Plantagen endlich nicht mehr ihr suspektes und kümmerliches Dasein wie z.B. vor Jahren in einem ehemaligen Düsseldorfer Bunker fristen. Und endlich gäbe es dort auch vernünftige Arbeitsbedingungen.

Regeln zum Anbau schwer kontrollierbar

Spannend ist die Frage, wer den regelkonformen Cannabis-Anbau kontrollieren soll. Werden Polizisten eine botanische Zusatzausbildung erhalten und regelmäßige Zählungen der blühenden weiblichen Plantagengewächse durchführen? Auf diese Weise würden die Ordnungshüter jedenfalls zuverlässig davon abgehalten, sich um den gefährlichen Schwarzmarkt und den Handel mit härteren Drogen und allem was damit zusammenhängt, zu kümmern. Der Schwarzmarkt wird weiter bestehen, wahrscheinlich sogar auf blühen, weil unter 18-jährige ihren Bedarf bzw. den durch die Cannabis Legalisierung geweckten Bedarf, nicht auf den erlaubten Wegen decken können.

Natürlich kann es sein, dass manch ein Jugendlicher in Zukunft vom Anbau der älteren Geschwister „profitieren“ kann. Aber viele werden zu neuen Kunden eines florierenden Schwarzmarktes werden, der seine Gewinne wohl in erster Linie durch noch stärkeres Strecken des Stoffes mit weit gesundheitsschädlicheren Substanzen, als der Grundsubstanz selber erzielen. Das besondere Anliegen Jugendschutz im Eckpunktepapier erweist sich dabei als Hohn. Und das Innenministerium NRW hat bereits angekündigt, seine Polizisten nicht zum Pflanzen zählen abzuordnen. Wie auch?

Erstaunlich ist auch, dass der amtierende Gesundheitsminister, der bei all seinen Entscheidungen grundsätzlich auf die Wissenschaft verweist, gerade bei der Cannabis Freigabe den Wissenschaftlern und Praktikern kein Gehör gibt. Die Kinder und Jugendärzte haben sich eindeutig gegen die Freigabe positioniert. Insgesamt steht die Ärzteschaft der Freigabe sehr kritisch gegenüber. Spricht man mit Neurologen und Psychologen, so erhält man ein eindeutiges Bild von den Wirkungen insbesondere auf Jugendliche und Heranwachsende. Denkt man an die Kosten, die bereits heute aus der Behandlung psychischer Erkrankungen resultieren und die sich zwangläufig bei weiterer Zunahme des Cannabiskonsums erhöhen werden, zwingt sich die Vermutung auf, dass der Gesundheitsminister es darauf anlegt, das noch funktionierende System mit allen verfügbaren Mitteln vor die Wand zu fahren. Um es dann durch eine Bürgerversicherung zu ersetzen.

Legalisierung wird Schwarzmarkt nicht zurückdrängen

Zudem gibt es überhaupt keine Anzeichen dafür, dass in den Ländern, in denen eine Cannabis Freigabe erfolgte, der Schwarzmarkt zurückgedrängt wurde. Wie soll man sich das überhaupt vorstellen? Dass die Cannabis-Dealer sich nun plötzlich sozialversicherungspflichtige Jobs suchen oder zwischenzeitlich Bürgergeld beziehen wollen? Viel wahrscheinlicher ist, dass die Schwarzmarktqualität von Cannabis noch schlechter wird, oder aber der Vertrieb härterer Drogen zusehends aktiviert wird.

Sicherlich ist die jetzige Situation äußerst unbefriedigend. Kaum ein Schulhof in Deutschland, vor dessen Toren der Cannabis Handel bisher Halt gemacht hat. Überlastete Ordnungshüter und Gerichte. Aber ein schlechtes System durch ein noch schlechteres zu ersetzen kann keine Lösung sein. Anstelle sich auf eine freizügige Drogenpolitik zu konzentrieren sollte Minister Lauterbach sich den wirklich drängenden Problemen widmen. Wo Fiebermedikamente für Kinder und Antibiotika fehlen muss gelten: Hustensaft statt Hanfplantagen!