„Das ist grobe Fahrlässigkeit“

Die Legalisierung von Cannabis bringt schwerwiegende Gefahren mit sich.

VON FRANK BERGMANN

Ich bin in höchstem Maße skeptisch, was die Pläne der Ampelkoalition angeht. Schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit vonJugendlichen scheinen mir hierbei bewusst in Kauf genommen zu werden.

Ich gehe sogar so weit, von grober Fahrlässigkeit zu sprechen. Die unter 18-Jährigen werden sich die Droge weiterhin auf dem Schwarzmarkt besorgen – daher verstehe ich auch die Schlussfolgerung nicht, durch die Legalisierung von Cannabis Schwarzmarkt und Drogenkriminalität zurückdrängen zu können. Das wird so nicht eintreten. Zudem steht die geplante Legalisierung nicht im Einklang mit dem Rechtsrahmen auf EU-Ebene. Deswegen erfolgte schon die Abkehr von den ursprünglichen Plänen zugunsten von „Modellprojekten“. Aber auch das wird mit Wahrscheinlichkeit konfliktiv in Brüssel diskutiert werden.

Studien sprechen nicht für Legalisierung

Als Neurologe und Psychiater sehe ich eine Legalisierung zu Genusszwecken grundsätzlich kritisch. Cannabis kann als psychoaktive Substanz negative Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit haben und nicht zuletzt auch zur Abhängigkeit führen.

Vor allem bei Jugendlichen und Heranwachsenden kann der frühzeitige Konsum kognitive Defizite – beispielsweise Aufmerksamkeits- oder Entscheidungsfindungsstörungen hervorrufen. Es gibt Studien, die belegen, dass ein Einstieg zwischen 14 und 16 Jahren noch weitreichendere Konsequenzen unter anderem mit Hirnleistungsstörungen hat, als wenn Erwachsene mit dem Konsum beginnen, was vermutlich an dem noch nicht ausgebildeten Reifegrad des Gehirns liegt.

Dazu kommt, dass Menschen, bei denen bereits eine Depression diagnostiziert ist, eher eine Abhängigkeit entwickeln als diejenigen, die vor dem Konsum nicht depressiv waren. Mir ist bewusst, dass gerade der straffreie Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum für die Ermittlungsbehörden und die Justiz eine spürbare Entlastung im Rahmen der Strafverfolgung wäre, andererseits jüngere Altersgruppen unter 18 Jahren verstärkt in die Illegalität geraten könnten.

Aus meiner Sicht werden aber mit der Legalisierung von Cannabis Tür und Tor für gravierende Gefahren gerade mit Blick auf die psychische Gesundheit vieler Menschen geöffnet. In der Droge liegt ein hohes Suchtpotenzial vor allem für Heranwachsende – dies wird auch Auswirkungen auf die ambulante psychiatrische und psycho- therapeutische Versorgung haben.

Meine Kolleginnen und Kollegen arbeiten in einigen Regionen Nordrheins ohnehin schon an ihren Leistungsgrenzen. Durch die Legalisierung von Cannabis rechne ich gleichzeitig auch mit einem deutlich höheren Behandlungsbedarf bei Suchterkrankungen und depressiven Störungen.

Blicken wir auf andere Länder, in denen der Konsum von Cannabis legalisiert worden ist – wie zum Beispiel Kanada und die USA –, belegt die bisherige Studienlage keineswegs, dass der Schwarzmarkt dort zurückgedrängt worden wäre oder dass es zu einem verantwortungsbewussteren Umgang mit der Droge gekommen ist. Daher mangelt es der Vermutung der Politik, der illegale Handel würde so eingedämmt werden können, schlichtweg an einer faktenbasierten Grundlage. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat schon durchblicken lassen, dass man in Bayern prüfen will, wie eine Cannabislegalisierung verhindert werden kann. Von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann waren ebenfalls grundsätzlich kritische Töne zu vernehmen. Ich baue darauf, dass auch für unser Bundesland geprüft wird, welche eigenen und vernünftigen Wege man gehen könnte.

Das wäre auch aus einem anderen Blickwinkel heraus angebracht: Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat ja schon angekündigt, dass er die Bundesländer und ihre zuständigen Behörden in der Pflicht sieht, u. a. Vorgaben für Cannabisclubs festzulegen und die Einhaltung von Mengen-, Qualitäts- sowie Jugendschutzvorgaben zu überwachen. Das dürfte allerdings nur die Spitze an Arbeit sein, die auf die Landesregierungen zukommt.

Meiner Meinung nach sollte der Konsum von Cannabis oder cannabinoidhaltigen Arzneimitteln in erster Linie nur unter enger fachärztlicher Aufsicht – wie es etwa bei Schmerzpatientinnen und -patienten der Fall ist – erfolgen. Den Konsum von Cannabis zu entkriminalisieren, würde mehr Probleme schaffen als lösen und gleichzeitig die ambulante vertragsärztliche Versorgung in einem nicht unerheblichen Maß belasten.