
Ehe und Bindung
Entscheidend für eine gelingende Ehe sind eine gute und tiefe Bindung der Ehepartner zueinander – und ein solides Verständnis von Bindung. Letzteres brauchen wir, um die innerhalb einer Ehe entstehenden Dynamiken besser verstehen zu können. Die richtige Bindung ist der Schlüssel!
Nicht jeder Ehepartner bringt eine solche Bindungs- und Beziehungsfähigkeit mit in die Ehe. Doch es ist nie zu spät, denn diese Fähigkeiten bilden sich auch bei einem Erwachsenen spontan heran, sobald ihm die hierfür erforderlichen Bedingungen bereitgestellt werden. Ein grundlegendes Verständnis von Bindung und davon, wie sie sich entwickelt, ist daher besonders wichtig für jede Beziehung.
Die Kernaufgabe von Bindung liegt darin, ein Füreinander-Sorgen zu ermöglichen. Aus diesem Grund ist jeder Mensch mit diesen Instinkten ausgestattet: dem Instinkt, für einen anderen zu sorgen, und dem Instinkt, der ihn empfänglich macht für die Fürsorge eines anderen. In einer idealen Ehe wechseln sich die Partner mit dem „Kümmern“ ab.
Auf diese Weise dient Bindung dem Überleben, und so verwundert es nicht, dass sie für unser Gehirn die oberste Priorität genießt. Besonders augenscheinlich wird das etwa inmitten einer Katastrophe: Das (Bindungs-)Gehirn wird unsere Aufmerksamkeit nicht, wie Viele vermuten, zuallererst auf die eigene Sicherheit, sondern auf die Hauptbindungen fokussieren. So kann es beispielsweise einen Vater dazu bewegen, in ein brennendes Haus zu rennen, um Frau oder Kind zu retten.
Der international renommierte, kanadische Bindungsforscher und Entwicklungspsychologe, Prof. Gordon Neufeld PhD, bietet folgende psychologische Definition der Ehe aus der Perspektive der Bindung an:
„Die Ehe vereint drei Hauptcharakteristiken: Sie ist eine exklusive, sexualisierte Bindung, die als Beziehungs-Home Base dient“.
1. Beziehungs-Home-Base: Fortan stellt die Bindung zum Ehepartner – und nicht länger die zu den Eltern – die Hauptbindung dar, die dem Partner als relationaler Heimathafen dient, der Orientierung und Geborgenheit bietet; hier fühlen wir uns zuhause und verstanden, und hier können wir immer besser erkennen, wer wir sind. So sollte es sein.
Nun bringt jeder Ehepartner neben seiner eigenen Geschichte und aufgrund des erlebten Vorbildes der Eltern bestimmte Vorstellungen von Ehe mit in die Partnerschaft. Die Dynamiken, die hieraus entstehen, können herausfordernd sein für die Beziehung. Oft werden sie noch verstärkt durch unerfüllbar hohe Erwartungen, die an den Partner als „Antwort“ gestellt werden, sowie dem Druck, eine möglichst perfekte Ehe zu führen.


2. Exklusiv: Zweitens handelt es sich in der Ehe um eine exklusive Bindung. Auch wenn kulturelle Unterschiede bestehen, so gibt es Erwartungen, etwa dass bestimmte Arten von Kontakt, Berührung und Verbindung exklusiv dem Partner vorbehalten und für ihn reserviert sind. Das beginnt bereits bei der Art eines interessierten Blickkontaktes. Das erklärt u.a. Eifersucht, und es erklärt, warum gerade in diesem Bereich häufig die Gefühle eines Ehepartners verletzt werden.
Diese Exklusivität ist trotz anderslautender, verbreiteter Theorien keine kulturelle Aneignung! Da Bindung polar ist, liegt ihre Exklusivität in ihrer Natur. Die Polarität dient dem Schutz der Beziehung.
3. Sexualisiert: Bei der Ehe handelt es sich um eine sexualisierte Bindung. Der Sinn dieser Bindung besteht ja darin, uns zu verpartnern und so den Kontext zu kreieren, in dem die Frucht der Bindung, der Nachwuchs, möglichst sicher aufgezogen werden kann.

Sind Eheleute tief und vertrauensvoll aneinander gebunden und besitzen sie ein tiefgreifendes Verständnis von Bindung, verfügen sie über einen kaum zu überschätzenden Schutz davor, über die in einer Ehe losgetretenen Dynamiken zu stolpern. Sie bringen optimale Voraussetzungen mit für eine fruchtbare, belastbare und gelingende Ehe, die allen Stürmen trotzt und Bestand hat. Sie besitzen die nötigen Einsichten, um ihre Kinder zur Reife zu erziehen, damit auch sie ein gelingendes Leben in sicheren Beziehungen führen können.
Die Düsseldorfer Buchautorin Maria Elisabeth Schmidt ist seit 2012 Neufeld-Kursleiterin. 2013 gründete sie den Gipfel der Herzensbildung.
Bekannt wurde sie vor allem durch die beim Fernsehsender EWTN ausgestrahlte 48-teilige Erziehungsserie „Zur Reife erziehen“, die auf dem Elternkurs „Power to Parent“ von Prof. Gordon Neufeld (Vancouver, BC) basiert.
